„Zarah“ – ZDF-Serie über Feminismus: stereotyper Voyeurismus und fast nur Männer an der Spitze

Die neue ZDF-Serie „Zarah – Wilde Jahre“ soll uns am Beispiel einer Journalistin etwas über die Gleichberechtigungskämpfe der Frauen im Deutschland der 1970er Jahre zeigen. Nach zwei Folgen ist klar: es ist stereotyper Voyeurismus aus männlicher Sicht. Die Serie ist ein Affront gegen die Frauen von damals und die Frauen von heute. Warum?

„Zarah“ ist das beste Beispiel dafür, dass unsere Gesellschaft und allen voran das ZDF immer noch nicht verstanden haben, worum es bei Gleichberechtigung ging und geht. Nämlich darum, dass Frauen eine gleichberechtigte Stimme zusteht.

Die fällt ihnen aber nicht automatisch zu, wie viele glauben. Denn noch immer bestimmen vor allem Männer, wo es langgeht. Und viele von ihnen haben nicht das geringste Interesse, die gleichberechtigten Stimmen der Frauen zu hören. Manche ignorieren Frauen schlichtweg, manche bekämpfen Frauen aktiv, andere schauen einfach weg, wenn es zum eigenen Vorteil ist, und wieder andere betonen, ihnen sei das ja noch überhaupt nicht aufgefallen, sie selbst seien aber natürlich absolut für Gleichberechtigung, ganz klar.

Woran zeigt sich diese diskriminierende Ignoranz jetzt (mal wieder) beim ZDF? Es nannte die Serie zum einen „Zarah – Wilde Jahre“. Wilde Jahre?? Das banalisiert den harten Kampf vieler Frauen schlicht als ausschweifende Hippie-Zeit und verspottet die Feministinnen und die oft gravierenden und bitteren Opfer, die sie bringen mussten.

Zum anderen setzte das ZDF an die entscheidenden Positionen der Herstellung einer Serie über eine Frau und ihren Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen fast ausschließlich … genau: Männer.

Producing, Regie, Kamera, Ton, Musik und Schnitt – alles mit Männern besetzt. Mehrheitlich haben also Männer die Schauspieler_innen ausgewählt, über den Inhalt, den Look und den Sound der Serie bestimmt und darüber, wie die Schauspieler_innen agieren und in Szene gesetzt werden.

„Zarah“ macht nichts besser als der übliche Sexismus im Fernsehen

Ja, es gab eine Produzentin (aber im Team mit einem Produzenten), eine Redakteurin (neben einem Redakteur), und am Drehbuch hat eine Frau mitgeschrieben (gemeinsam mit einem Mann). Und, klar, die Frauenrollen werden von Frauen gespielt, ist ja nicht mehr Mittelalter, sondern 2017 und ZDF.

Und all das Hübsche, Dekorative – vom englischen Cabrio über die bunten Klamotten und die knallroten Fingernägel bis zu den 70er-Jahre-ZDF-Frisuren –, wurde den kompetenten Händen von … genau: Frauen überlassen. Nur dass diese Frauen sich nach den Vorstellungen von oben – also mehrheitlich von Männern – richten mussten.

So weit, so alltäglich in der deutschen TV-Landschaft. Wie katastrophal das für Frauen und Mädchen ist, zeigte jüngst die Studie der MaLisa Stiftung der Schauspielerin Maria Furtwängler. Und „Zarah“ macht nichts besser als der dort nun schon zum x-ten Mal nachgewiesene, alltägliche Sexismus im Fernsehen, im Gegenteil.

Diese Serie lässt es einmal mehr wie Hohn klingen, dass man im Sender von der extremen Männerdominanz in den Studienergebnissen angeblich „überrascht“ war. ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte dazu:

„Wir haben Fortschritte erzielt. Das dauert länger, aber ich wusste immer, dass wir noch nicht am Ende angekommen sind, das ist mir natürlich klar.“

Dass dieses Ende aber noch Lichtjahre entfernt ist, zeigt ein Ergebnis dieser vermeintlichen „Fortschritte“: „Zarah – Wilde Jahre“.

Wieder einmal sollen wir die Sicht von Männern auf ein Frauenthema akzeptieren

In der Serie über eine feministische Frau zeigen uns deshalb vor allem Männer, wie wir die 70er Jahre sehen sollen: auf der einen Seite ein Haufen nerdiger oder sexgeiler Typen, die vor Selbstbewusstsein und/oder Potenz in jedem nur denkbaren Alter aus dem Anzug zu platzen glauben und denen alle alles durchgehen lassen. Auf der anderen Seite ein genauso stereotyper Haufen hilfloser oder durchtriebener Frauen. Und denen gegenüber eine Feministin, die natürlich sehr schlank ist, riesige Augen und volle Lippen hat, die natürlich bisexuell ist und ihre natürlich feuerrot gefärbten Haare im Cabrio herumfährt.

Wieder einmal erklären uns vor allem Männer, wie wir jene Frauen einordnen sollen, die für ihre und unsere Gleichberechtigung kämpften: entweder als schüchternes, spießiges Blondchen, das seinen Chef durch einen (huch!) guten Artikel überrascht; als blond-toupierte Vorzimmerdame, die es auf Sex mit dem Chef anlegt und dabei (hoppla!) souverän vorgeht; als verwöhntes Töchterlein des Chefs mit lustigen Pferdeschwänzen oder lasziv heruntergelassenem Haar und Schlafzimmerblick, das natürlich lesbische Anwandlungen zeigt; oder als kulleräugigen, langhaarigen, dünnen Vamp-Hexen-Verschnitt, der allein gegen die Männerwelt, nur bewaffnet mit einem knallroten Lippenstift und einer knallroten Schreibmaschine, den Journalismus explodieren lässt.

Wieder einmal drängen uns vor allem Männer eine stereotyp banale und voyeuristische Sicht der Dinge auf: nackte Frauen, Bilder nackter Frauen und diverse Naheinstellungen von Zarahs Dekolleté und ihren Lippen. Natürlich zeigen sie uns in den ersten beiden Folgen nichts davon von den Männern (von dem einen, ach so vieldeutigen, hihihi, Magazincover eines von hinten abgebildeten, nackten Sängers mit Gitarre an – hui! – prominenter Stelle abgesehen).

Die Feministin ist besserwisserisch und machtgeil. Hat aber große Augen!

Wenn es nach diesen Männern geht, sollen wir uns also vorstellen, dass eine Feministin sicher ein ganz nettes, edles Motiv hat, aber dann doch nur besserwisserisch und machtgeil ist (weil es ja beim Feminismus nur um Macht geht, ist klar), irgendwie dabei dauernd an Sex denkt (sind ja die 70er Jahre), dass sie ein Kommunikations- und noch ein paar andere Probleme mit Männern hat (weil sie sonst ja gar nicht Feministin sein müsste) und! ihre! krebskranke! Mutter! alleine! lässt! Aber sie hat ja große Augen.

Das ZDF hat in den ersten beiden Folgen nichts von dem ausgelassen, was Katharina Riehl auf Süddeutsche.de so treffend als

„jedes dämliche Geschlechtsstereotyp“

beschreibt.

Wir sollen übrigens außerdem glauben, dass Feministinnen, wenn sie mal nur unter sich waren, genau so einen sexistisch Trumpschen „locker room talk“ von sich gaben wie die Männer in Zarahs Redaktion. Zum Beispiel in Folge 2 beim Betrachten des besagten, ach so vieldeutigen Magazincovers:

„Der Arsch eines Mannes sagt echt mehr über seinen Charakter aus als sein … äh … Bankkonto. Ha ha ha ha ha ha!“

Diese Sätze sind ein Synonym für die „Qualität“ dieser Serie

Ob dieser und all die anderen haarsträubenden Sätze wirklich von den Drehbuchautor_innen Eva und Volker A. Zahn stammen oder ob sie von Redaktion oder Regie umgemurkst wurden (wie es Drehbuchautor_innen häufig beklagen), ist am Ende egal. Sie sind aber ein Synonym für die „Qualität“ dieser Serie.

Das alles stellen uns diese Männer des ZDF dann auch noch in eindimensionalen, stereotypen Figuren vor. Die Schauspieler_innen agieren genauso klischeehaft, hölzern und unglaubwürdig wie ihre Rollen angelegt sind. Da gibt es für Zuschauer_innen keinen Spielraum für Interpretationen, keine Möglichkeit zu verstehen, mitzufühlen, sich mitreißen zu lassen. Charaktere und Geschichte bleiben oberflächlich und platt.

Das ZDF verkauft uns diesen banalen Voyeurismus aber nicht als extra auf billig gemachte (aber sündhaft teure) Boulevardklamotte oder Spaaaaaaß, Alde_r! Sondern es will ganz ernsthaft, dass wir ihn als das seriöse Genre „Journalist_innenserie“ ansehen (die allerdings in den ersten zwei Folgen noch keinen Hauch von journalistischer Arbeit gezeigt hat). Als eine Serie, die uns exemplarisch zeigen soll, wie das damals so war. Halt ein bisschen angehübscht und angepasst, damit wir bloß um 9 Uhr abends nicht noch anfangen müssen zu denken. Oder, Gott bewahre, uns über Sexismus beim ZDF aufregen.

In der Pressemappe gibt der Sender allerdings schon selbst her, wie daneben er mit dieser Serie liegt. Dort steht:

„Zum Glück gehört, dass wir mit dem preisgekrönten Richard Huber einen Regisseur für den Stoff gewinnen konnten, der die Zeit nicht nur in all seinen Widersprüchlichkeiten aus eigener An­schauung kennt …“

Der preisgekrönte Mann beschreibt dieses Erleben dann in derselben Pressemappe so:

„Massiv pubertierend, mit der frühen und festen Absicht, mir die Haare über die Ohren wachsen zu lassen, ständig mit dem Mofa an „den Mädchen“ vorbeifahrend und mit dem kla­ren Ziel, Gitarrist zu werden. Das mit den Haaren hat geklappt, das mit der Gitarre nicht. Aus Protest bin ich dann zwei Mal sitzengeblieben.“

Ha ha ha ha ha ha ha. Und genau das sieht man der Serie nun an. Mehr als ein spätpubertäres, männlich zentriertes Bild der 70er Jahre und eine Aneinanderreihung unsäglicher Klischees rund um den Kampf der Frauen um Gleichberechtigung ist in den ersten beiden Folgen der Serie weder im Gesprochenen zu finden, noch im Agieren oder der Bildsprache.

Männer bestimmen, welches Bild wir von Frauen und Feminismus haben

Das ZDF hat damit erneut bewiesen, dass es Frauen nicht respektiert oder ihre Belange auch nur ansatzweise ernst nimmt. Das fängt im Sender bei Journalist_innen wie Udo van Kampen an, der trotz Kritik stur über „den Steuerzahler“ spricht; es geht bei der Journalistin Birte Meier weiter, die weniger verdient als ihre männlichen Kollegen; und es hört bei heute-journal-Moderator Claus „Umerziehung“ Kleber und den stereotypen Pilcher-Lindström-&-Co.-Schmonzetten noch lange nicht auf.

Denn selbst eine Frauenserie über eine Frau und ihren Kampf um Gleichberechtigung muss beim ZDF offensichtlich hauptsächlich von Männern gemacht werden. Vor allem Männer bestimmen also, welches Bild wir von Frauen, vom Feminismus und von der Gleichberechtigung haben.

Wenn ZDF-Intendant Bellut sagt, das ZDF wolle in den nächsten fünf Jahren die Anteile der Regisseurinnen verdoppeln, heißt das für die nächste Serie über Frauen (oder Feministinnen) dann also Null mal Zwei, ha ha ha ha ha?

Schau dir zum Vergleich mal die amerikanische Vorlage „Good Girls Revolt“ an. Sie mag auch nicht völlig klischeefrei sein, doch sie ist glaubwürdig und klug gemacht, die Geschichte und die Charaktere sind vielschichtig und gut gespielt, die Dialoge gut geschrieben (ich habe sie allerdings im Original gesehen – für die Übersetzung bzw. Untertitel kann ich nicht bürgen). Und sie ist alles andere als voyeuristisch, tumb und stereotyp.

Ach, ja: Die Folgen von „Good Girls Revolt“ wurden mehrheitlich von … genau: Frauen geschrieben, mehrheitlich von Regisseurinnen inszeniert und mehrheitlich von Kamerafrauen gedreht.

Quod erat demonstrandum.

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thea

5 Gedanken zu „„Zarah“ – ZDF-Serie über Feminismus: stereotyper Voyeurismus und fast nur Männer an der Spitze“

  1. Das tut einem ja weh, wenn man nur davon liest. Ich persönlich finde den deutschen Fernsehfilm (deutsche Serien hab ich nie geschaut, glaub ich) ja sowieso eher zum Davonlaufen, aber das klingt spontan wirklich nach Brechmittel.

    Liebe Grüße
    Sabrina

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  2. Vielen Dank für diese Analyse! Auch wenn ich nicht in allen Punkten damit übereinstimme.

    Leider wird die Serie „Good Girls Revolt“ bei mir als „nicht verfügbar“ gelistet – vielleicht, weil ich kein amazon prime habe?

    Woher weißt Du denn, dass diese Serie Vorlage für „Zarah“ war? Die Geschichte von Zarah erinnert mich nämlich in ganz schön vielen Punkten an die von Alice Schwarzer: Eine Journalistin kehrt nach Jahren aus dem Ausland (im Fall von Schwarzer: Frankreich) nach Deutschland zurück, arbeitet dort bei einem linken Magazin, das für sexistische Titel bekannt ist (Pardon), wird in der Frauenbewegung aktiv und durch TV-Auftritte bekannt und gründet schließlich ihre eigene Zeitschrift (Letzteres eine Mutmaßung von mir). Und auch Alice Schwarzer ist bi und hat außerdem noch eine Weile Minikleid getragen. Anders ist: Alice Schwarzer hat erst nach ihrem kurzen Intermezzo bei Pardon ihre ersten Bestseller geschrieben. Und auch Schwarzers Elterngeschichte ist nicht dieselbe.

    Ist mir nur so beim Schauen aufgefallen. ;) Trotz aller, auch berechtigter, Kritik bin ich gespannt, wie die Serie weitergeht.

    Viele feministische Grüße
    Inga

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    • Dank Dir für Deinen Kommentar, Inga! Es scheint tatsächlich so zu sein, dass „Good Girls Revolt“ momentan nur für Prime-Kund_innen verfügbar ist – schade! Ich hoffe, sie bekommen nochmal eine Lizenz für alle – die Serie ist wirklich sehenswert.

      Dass die „Good Girls“ die Vorlage waren, ist an den vielen, unübersehbaren Ähnlichkeiten in Thema, Rollen und Look zu erkennen und natürlich an dem zeitlichen „Zufall“. Es ist auch lange bekannt, dass das ZDF sich häufig an amerikanischen Vorlagen orientiert. In den USA haben sie ausgezeichnete Stoffe, weil sie dort sehr viel mehr Wert auf die Stoffentwicklung legen als in Deutschland, wo Stoffentwicklung ein Fremdwort ist (Stoffentwicklung heißt, Drehbuchautor_innen nicht nur für das fertige Drehbuch einmalig abzufinden, sondern sie tatsächlich von der Idee bis zum fertigen Buch durchgehend zu bezahlen. Das sparen sie sich in Deutschland einfach, weshalb die finanzielle Situation vieler Drehbuchautor_innen extrem schlecht ist – die Zahns sind allerdings gut im Geschäft und damit eine Ausnahme). Anstatt also selbst in die Entwicklung guter Originalgeschichten zu investieren, kupfert man gerne von amerikanischen Vorlagen ab und deutscht das dann ein bisschen ein, damit’s nicht zu amerikanisch aussieht. Deshalb haben viele Produktionen einen unsäglich hohen Spießigkeitsfaktor, weil man beim ZDF offenbar glaubt, das sei halt der entscheidende Unterschied zu Amerika.

      Der „Good Girls“-Pilot wurde bereits Ende 2015 veröffentlicht, also wird die Entwicklung mindestens ein Jahr vorher begonnen haben – das ist genügend Zeit für die ZDF-Produzent_innen, was „Eigenes“ daraus zu machen. Um das Ganze an den deutschen Markt anzupassen, und weil die Situation der Journalistinnen in Deutschland etwas anders war als in den USA, wurde die Geschichte dann wohl tatsächlich mit Hilfe von Details aus den Leben damaliger Vorkämpferinnen wie Alice Schwarzer, Ingrid Kolb und Wibke Bruns zusammengeschustert.

  3. Und gerade lese ich das hier von der amerikanischen Filmemacherin Maggie Greenwald:

    „The only problem is that men dominate the film industry, so the entire experience of half of the world barely exists in popular culture. […] the co-opting of women’s stories by male filmmakers does feel like a violation. I know these male-made films will not get at the essence of these women’s stories. […] Despite the best of intentions, there is no way most male directors can bring the depth and emotional truth to portrayals of our lives. Even worse, the movies will probably suck, fail commercially and kill future opportunities – for women.“ (http://www.talkhouse.com/white-males-not-stories-tell/ )

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