Sie wird zum zweiten Mal für das mächtigste Amt dieser Welt antreten: die Politikwissenschaftlerin, Rechtsanwältin, Ex-Senatorin und ehemalige Außenministerin der USA, Hillary Rodham Clinton. Und was schreibt die Presse nun, da sie Präsidentschaftskandidatin wird?
Die FAZ Online titelt z. B.:

Und dann schickt Autor Winand von Petersdorff-Campen noch hinterher:
„Hillary Rodham Clinton ist eine 67 Jahre alte Politikerin, die Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika werden will.“
Was ungefähr so klingt, als würde ein kleines Mädchen dem alten Onkel erklären, sie wolle mal Präsidentin werden, wenn sie groß ist. Und wie schreibt Petersdorff-Campen über Clintons Gegner?
„Mit Ted Cruz und Rand Paul sind schon zwei größere Kaliber der Republikaner im Rennen, am Montag folgt dann Mark Rubio. Ein paar Demokraten scharren noch mit den Hufen, der Vizepräsident Joe Biden, ein früherer Senator aus Virginia, ein früherer Gouverneur aus Maryland […]“
Kein Wort über deren Alter, Familienverhältnisse und Wunschvorstellungen. Joe Biden ist z. B. 72 Jahre alt und ebenfalls Großvater, was dem Autor aber keine Erwähnung wert ist. Stattdessen zählt er die Herren anhand ihrer Ämter auf – und wo sind die von Hillary Clinton?
Erst im 11. und vorletzten Absatz, nachdem er viel über Gefühle geschrieben und, nochmal auf seine Überschrift zurückkommend, das Enkelkind Clintons erwähnt hat, kriegt der Autor halbwegs die Kurve:
„[Amerika] würde allerdings eine sehr erfahrene Kandidatin bekommen. Als frühere First Lady, die sogar ein Amtsenthebungsverfahren miterleben musste, als Außenministerin, als langjährige politische Aktivistin ist Clinton auf alles vorbereitet, was das Amt verlangt“
Ach, guck.
Nochmal zur Erinnerung: Hillary Clinton ist
- Politikwissenschaftlerin,
- Rechtsanwältin,
- ehemalige Senatorin des Bundesstaates New York,
- ehemalige Außenministerin der USA und
- möglicherweise die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten und damit die mächtigste Frau dieser Welt.
Diese kluge und außergewöhnlich erfolgreiche Frau nun gleich zu Beginn des Artikels auf ihr Alter und ihr Großmutterdasein zu reduzieren, während die Männer über ihre Ämter definiert werden, ist respektlos, sexistisch und diskreditiert nicht Clinton, sondern den Autor.
*******
Hat dir dieser Beitrag gefallen? Jede Spende hilft mir, auf thea weiterhin über Frauen in Sprache, Medien und Gesellschaft schreiben zu können.
- Abschied von thea - 8. März 2023
- #nachgezählt: Frauen bei öffentlich-rechtlichen Talkshows immer noch benachteiligt - 27. Januar 2020
- Psychopathen und Narzissten: die stille Gewalt gegen Frauen – ein Erfahrungsbericht - 21. November 2019
Offensichtlich ist der unverfrorene Sexismus bei der FAZ, zumindest in ihren Washingtoner Büros, tief verwurzelt – und das, wo die USA in Sachen Gleichberechtigung schon um Lichtjahre weiter sind als Deutschland: denn einen Tag später schiebt faz.net noch nach: „Oma auf Ochsentour“ und „Oma Hillary“ (http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/amerika/praesidial-hillary-clintons-devise-heisst-demut-13534461.html).
Was??? Die USA sind um Lichtjahre weiter als Deutschland? Nun… vermutlich habe ich zu lange in Leipzig und bei Potsdam gewohnt, um einen realistischen Blick auf deutsche Sexismus-Verhältnisse zu haben (die ich trotzdem für katastrophal halte). Die US-amerikanischen Menschen, die ich kenne, berichten aber nichts, was diese positive Einschätzung der USA bestätigen würde. Vielleicht kenne ich nur die falschen?
Und die Welt entblödet sich auch nicht: „Zwei Omas kämpfen um die Macht in Madrid“ http://t.co/Lh8WMGjL0o.