Reagiert eine Zeitschrift auf einen Facebook-Eintrag, dann spricht das normalerweise dafür, dass jemand aus dieser Redaktion bereits im 21. Jahrhundert angekommen ist. Wenn jedoch so etwas herauskommt wie kürzlich bei BUNTE.de, muss man sich fragen, ob sie nicht besser im 20. Jahrhundert geblieben wäre. Was war passiert?
Die einstige Top-Biathletin Magdalena Neuner, Doppel-Olympiasiegerin, 34-fache Weltcup-Siegerin und damit eine der erfolgreichsten Skisportlerinnen aller Zeiten, ist seit fast drei Jahren keine aktive Profisportlerin mehr: im März 2012 beendete sie ihre Karriere und bekam zwei Jahre später, im Mai 2014, ein Kind.
Wenn ein harmloser Spaziergang aufgeblasen wird
Mit diesem Kind fuhr sie nun spazieren und tat dies – wie man es sich bei einer ehemaligen Biathletin im Winter gut vorstellen kann – auf Skiern in einer Langlaufloipe. Das Kind hatte sie (warm und weich eingepackt, wie sie später postete) in einem Anhänger auf Kufen im Schlepptau. Davon postete sie diesen Bildbeitrag auf Facebook:
Daraufhin produzierte BUNTE.de, nach eigenen Angaben mit einer „Leidenschaft für Menschen“ ausgestattet, einen Text mit folgender Headline:

Darunter folgte u. a. dieser Text (die fett markierten Passagen habe ich so markiert):
„Doch ist die Loipe der richtige Ort für einen sieben Monate alten Säugling? Schließlich geht es dort in der Regel tüchtig bergauf und bergab, so dass die kleine Verena beim Tempo ihrer ehrgeizigen Mama sicherlich ein wenig durchgerüttelt wurde bei der Langlauf-Tour. Vermisst Magdalena vielleicht doch ein wenig die Glückshormone, die ihr früher das tägliche knallharte Biathlon-Training sicherlich bescherte?
Hoffen wir, dass es die Wallgauerin mit ihrem sportlichen Ehrgeiz nicht übertreibt.“
Die Journalistin bläst hier nicht nur den harmlosen Spaziergang einer prominenten Mutter auf Skiern auf. Sie impliziert auch auf perfide Weise, Neuner würde wegen ihres anscheinend noch immer nicht abgeklungenen Ehrgeizes die Sicherheit ihres Kindes vernachlässigen und sei an ihrem eigenen Spaß und Glückshormonkick mehr interessiert als am Wohlergehen des Kindes.
Karrierefrauen werden oft als schlechte Mütter dargestellt
Dieser Text will nicht berichten und andere Mütter darauf hinweisen, welche Möglichkeiten modernen Müttern mit Bewegungsdrang im Winter zur Verfügung stehen, und welche möglichen Gefahren es dabei gibt. Er dient der Journalistin einzig dazu, sich selbst über eine Prominente zu erheben und eine Karrierefrau als potenziell schlechte Mutter darzustellen – so als ob nicht einmal eine Magdalena Neuner beides könnte: eine sagenhafte Karriere (gehabt) zu haben und eine sehr sorgsame und gewissenhafte Mutter zu sein. Daran ändert auch der herablassende Nachsatz nichts, im Gegenteil:
„Doch sie wird sicher verantwortungsbewusst genug sein, mit ihrer kleinen Verena nur in ganz einfache Loipen zu gehen. Und sicher passen auch gerne mal Ehemann Seppi oder die Großeltern auf ihr Töchterchen auf, damit die Neu-Mama ganz entspannt ohne Anhang zum Langlaufen gehen kann.“
Immer wieder werden prominente Frauen ohne ersichtliche Gründe zur Zielscheibe von Journalist_innen, die sich auf ihre Kosten profilieren möchten. Häufig – und das macht das Ganze noch schlimmer – sind diese Texte von Frauen für Frauen geschrieben. Und es gibt auch zuverlässig Frauen, die diesen frauenfeindlichen Unsinn lesen und ähnlich hämisch und herablassend kommentieren. Wäre es nicht einmal an der Zeit, das seinzulassen?
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Nun stehen bei der BUNTEN Lästerattackecken gegen Frauen immer auf der Tagesordnung. Ob Frau zu dick, zu dünn, zu traurig, zu ungeheiratet, zu schnell geheiratet, zu schnell schwanger, zu wenig schwanger etc. etc. Man fragt sich, welche Geisteshaltung da wohl hinter dem „Leidenschaft für Menschen“ steht?
Allerdings, Eva. Ich frage mich allerdings auch, welche Geisteshaltung bei all jenen (Frauen) vorherrscht, die so etwas kaufen, lesen und hämisch kommentieren.