Was dürfen Männer heute überhaupt noch? Diese Frage klingt wie bei dem kleinen Jungen, der immerzu die Katze quält, die erst warnend faucht und ihm dann ihre Krallen ins Gesicht haut, woraufhin er regelmäßig plärrt: Aua, du blöde Katze! Nicht mal mehr Spaß haben kann man! Das ist so ungerecht! Bevor nun die #MeToo-Debatte vollständig versiegt, hier noch schnell eine Antwort.
Viele Männer jammern schon seit Beginn der #MeToo-Debatte, sie seien jetzt so völlig verunsichert, sie trauten sich überhaupt nicht mehr irgendetwas zu tun, wenn eine Frau dabei sei. Nicht einmal mehr Aufzug fahren könnten sie mit einer Frau oder ihr ein Kompliment machen! Denn die könne ja nun sofort Sexuelle Belästigung! schreien!
Sehen wir mal davon ab, dass sie schon seit Jahrzehnten in unzähligen Situationen hätte Sexuelle Belästigung! schreien können, sich aber aus Gründen nicht oder nur selten getraut hat (s. #MeToo – Warum haben die Frauen so lange geschwiegen?).
Das Gejammer soll Frauen wieder als die Schuldigen anprangern
Das Gejammer ist noch dazu vorgeschoben, denn diese Männer verfolgen damit nur einen einzigen Zweck: sich selbst wieder in den gewohnten Mittelpunkt aller Debatten zu rücken und in einer Verdrehung der Fakten, die sie automatisch zum Schweigen bringen soll, die Frauen wieder einmal als die Schuldigen an allen Problemen anzuprangern. Als diejenigen, die nun angeblich die Freiheiten der Männer extrem einschränken wollten.
Sehen wir auch mal davon ab, dass diese Männer ohnehin schon seit ihrer Geburt und allein aufgrund ihres Geschlechts erheblich mehr Freiheiten genießen als Frauen (s. Weltmädchentag – Warum belügen wir die Mädchen immer noch? und Frauentag abschaffen! Keine Förderung mehr für Mädchen!).
Es gibt eine unglaublich einfache rote Linie: gegenseitiges Einvernehmen
Der Schauspieler Hannes Jaenicke kommentierte das Gejammer dieser Männer in der ARD-Sendung „Maischberger“ im November 2017 so:
„Das ist doch völliger Quatsch. Das ist doch total selbstmitleidig. Es gibt eine unglaublich einfache rote Linie, und die heißt „gegenseitiges Einvernehmen“. […] Wenn zwei Spieler spielen, der eine will nicht spielen, dann hat der andere Spieler sich zurückzuziehen. Ich finde das eigentlich nicht so wahnsinnig kompliziert.“
Ja, aber!, jammern diese Männer jetzt. Was heißt denn bittesehr „gegenseitiges Einvernehmen“? Muss ich jetzt etwa vor jedem Busengrapscher und jedem Griff auf den Po einen schriftlichen Antrag stellen, mit doppeltem Durchschlag, oder was? Das zerstört doch jede Erotik!
Anstatt dass sie den Mund halten und einfach mal zuhören. Auch auf die natürlich völlig abwegige Gefahr hin, dass die unzähligen Frauen in der #MeToo-Debatte tatsächlich relevante Gründe für ihre Anklagen und (Gott bewahre!) damit völlig recht haben könnten.
Also, was dürfen Männer heute überhaupt noch?
Für die ein, zwei Männer, die ganz ernsthaft nicht verstehen, was der Unterschied zwischen Flirten und sexueller Belästigung ist, zwischen einvernehmlichem Sex und Vergewaltigung, kommt hier nun endlich die ersehnte Antwort in fünf Schritten (doch, doch, mehr sind es nicht). So findest du heraus, ob es o. k. ist, mit einer Frau das zu tun, was du vorhast:
- Verstößt es gegen geltendes Gesetz? Kleiner Tipp hierzu: Frauen haben dieselben Rechte wie Männer. Dazu gehört z. B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung, darauf nein zu sagen und darauf, dass diese Entscheidung respektiert wird. Falls dein Vorhaben also die Rechte der Frau verletzt, lass es sein. Falls nicht, gehe zu Schritt 2.
- Verletzt es die grundlegenden Regeln des Anstands, des Respekts und der ganz normalen Manieren? Falls ja, lass es sein. Falls nicht, gehe zu Schritt 3.
- Wenn die Rollen vertauscht wären und die Frau dies einfach so mit mir tun würde, frage dich: Wie fände ich das wohl?
- Solltest du das super finden, dann stell dir die nächste Frage: Woher weiß ich aber, dass sie das auch super findet? Ganz einfach: Frag sie!
- Sagt sie nein? Lass es sein!
Als kleiner Service von thea hier das Ganze noch als hübsches Bild, um dir mehr Sicherheit im Alltag zu geben. Das Bild kannst du gerne ausdrucken und bei dir tragen, für den Fall, dass du wieder vergisst, wie’s geht. Aber eigentlich wirst du das gar nicht brauchen, denn nach ein paarmal üben hast du’s ganz sicher drauf und kannst dann schon im Bruchteil einer Sekunde entscheiden, ob du etwas tun oder doch besser lassen solltest. Es ist wirklich ganz einfach.
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- Psychopathen und Narzissten: die stille Gewalt gegen Frauen – ein Erfahrungsbericht - 21. November 2019
Als Nachtrag zum Artikel: „Wir haben das ausreichend erforscht und Männer wie Frauen befragt zu Anmachsprüchen, dummen Sprüchen, sexistischen Witzen, unangemessenem Verhalten und so weiter. Die Befragten mussten beurteilen, wann etwas unpassend oder beleidigend ist. Und siehe da: Es gibt kaum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Beide wissen sehr gut, wo die Grenze ist“, sagt der Sozialpsychologe Prof. Dr. Gerd Bohner in der Neuen Westfälischen (http://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/22002485_Sexismus-Debatte-Maenner-wissen-sehr-genau-wo-die-Grenze-ist.html)