Mach’s besser: „Lafontaine heiratet Wagenknecht“

Vor einigen Tagen brachte die Nordsee-Zeitung eine Agenturmeldung, deren Inhalt wohl in den meisten Zeitungen erschien, nämlich dass die Politikerin Sahra Wagenknecht und der Politiker Oskar Lafontaine geheiratet haben. Doch bei der Nordsee-Zeitung sah das so aus:

Meldung der Nordsee-Zeitung vom 23.03.2015 (Foto: Birte Vogel)
Meldung der Nordsee-Zeitung vom 23.03.2015 (Foto: Birte Vogel)

Was fällt dir an diesem Titel auf:

Lafontaine heiratet Sahra Wagenknecht„?

Die Reihenfolge der Namensnennung ist dem Prominentenstatus wohl angemessen – Oskar Lafontaine wird der Mehrheit der Deutschen bekannter sein als Sahra Wagenknecht (was vielleicht auch der Grund dafür war, seinen Namen fett zu drucken, ihren aber nicht).

Doch was ist nun an einem Titel wie „Lafontaine heiratet Wagenknecht“ grundsätzlich zu beanstanden? Er besagt: die Frau wird geheiratet. Der Mann ist aktiv (heiratet), die Frau passiv (wird geheiratet). Dies impliziert nicht nur ein hierarchisches Machtverhältnis zugunsten des Mannes, sondern auch, dass die Frau in dieser Angelegenheit wenig zu melden hatte. Was aber – so viel darf man annehmen –, bei einer in Ostdeutschland zu DDR-Zeiten geborenen Politikerin, die im Jahr 2015 heiratet, ziemlich sicher nicht der Fall gewesen sein dürfte.

Wäre es heute tatsächlich selbstverständlich, dass Frau und Mann gleichberechtigt sind, hätte der Titel lauten müssen:

Lafontaine und Wagenknecht heiraten„.

Beide Personen im Aktiv. Und es hätte nicht einmal irgendwem wehgetan.

Ähnliche Wirkung hat übrigens der Satz, den noch immer sehr viele Hetero-Hochzeitspaare sowohl vor dem Standesamt als auch in der Kirche hören dürften:

Sie dürfen Ihre Frau jetzt küssen.

Was viele hochromantisch finden, bedeutet aber nur eins: er darf küssen (aktiv), sie darf den Kuss empfangen (passiv). Warum heißt es nicht einfach:

Sie dürfen einander jetzt küssen„?

Das nähme dem Ritual nichts von seinem Zauber. Doch es gäbe der frisch gebackenen Ehefrau schon allein sprachlich von Anfang an den gleichberechtigten Stand neben dem frisch gebackenen Ehemann.

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thea

4 Gedanken zu „Mach’s besser: „Lafontaine heiratet Wagenknecht““

  1. Sah das wirklich nur bei der Nordsee-Zeitung so aus? Wow! Wie emanzipiert und gleichberechtigt doch die Presselandschaft Deutschlands ist, falls das stimmt!
    Das werfe ich jetzt einfach mal so hoffnungsvoll wie ungläubig in den Ring.

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  2. Mir scheint tatsächlich, es wird immer noch weithin so wahrgenommen, dass eine Frau beim Heiraten in eine passive Rolle gerät. Sie ist halt dann „versorgt“. Was sich ja auch sehr schön in den Formularen der Steuererklärung niederschlägt: Der Mann ist da der „Steuerpflichtige“, die Frau die „Ehefrau“. Unabhängig davon, wer wie viel verdient.

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  3. Liebe Birte,

    Betrachten wir es doch nüchtern: die meisten Frauen werden nun mal geheiratet. Höre ich meinen, im Schnitt 20 Jahre jüngeren und gut ausgebildeten, zumeist studierten Kolleginnen zu, warten sie, passiv, darauf das „Er“ einen Antrag macht. Alles andere wäre unromantisch und, nee, ihn selber fragen, doch nicht ernsthaft. Und dann staune ich immer wieder aufs neue, wie kluge, gebildete, ehrgeizige Single-Frauen, kaum haben sie einen Partner, ihre Interessen, Pläne und Lebensgewohnheiten, eben noch heiß verteidigt, über den Haufen und sich ihm anpassen und ihr Leben um ihn herum bauen. Solange wir Frauen uns freiwillig nur über den Mann, sein Einkommen, seinen Status, seine Karriere und den eigenen Wert darüber wie gut Frau als Mutter und Familientier ist, definieren, wird sich im Bereich Emanzipation auch nichts ernsthaft ändern. Ich diskutiere ebenso gerne wie erfolglos mit meinen jungen Kolleginnen über schräg gehaltene Köpfchen, Blicke von unten, lasche Händedrücke, leise Stimmchen im Meeting und „kannst du mal, du bist doch ein Mann…“-Hilferufe, als auch über: „…nein, das war das Team, meine Leistung ist nur ein kleiner Teil..“ oder „mehr Geld? Soviel kann ich doch nicht verlangen, der Firma geht es doch nicht so gut, das Abteilungsziel wurde nicht erreicht, ich war doch 3 mal krank..“ usw. usw. usw.! Das Frauen sich immer noch, ich wiederhole, freiwillig, klein machen ist aus meiner persönlichen Sicht etwas das sich so schnell nicht ändern wird und daher sehe ich nichts „anstößiges“ in der Wortwahl der Berichterstattung über Herrn Lafontaine, der die Dame seines Herzens heiratet. Ich bin der Überzeugung das wir Frauen erst mit dem, von uns selbst gegen uns gerichteten Sexismus aufhören müssen, um echte Gleichberechtigung, auch sprachlich, zu erreichen.

    Lieber Gruß
    Alexandra

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    • Liebe Alexandra,

      das, was Du ansprichst, ist ein zu komplexes Thema, um es in einem Kommentar beantworten zu können. Nur so viel: ich bezweifle, dass es wirklich echte Freiwilligkeit ist, die noch immer so viele Frauen (und Männer) zu einem solchen Verhalten bringt. Genau diese vermeintliche Freiwilligkeit wird nämlich durch Formulierungen, wie ich sie hier ankreide, durch Werbung, durch Medien und nicht zuletzt durch soziale bzw. Gruppenzwänge bestimmt. Und da Mädchen auch heute noch im Elternhaus und in der Schule dazu erzogen werden, sich der Gruppe anzuschließen, statt gegen den Strom zu schwimmen, da sie für das Auflehnen gegen das Bestehende oft auch noch abgestraft werden, und da ihnen bis heute kaum Selbstbewusstsein auf den Weg gegeben wird, wird sich das auch so schnell nicht ändern.

      Ich erfahre z. B. immer wieder von Leserinnen, dass sie durch meinen Blog zum ersten Mal eine ganz andere Sichtweise auf bislang als „normal“ angesehene Dinge bekommen – ihnen wurden offensichtlich bisher zu wenig nachvollziehbare Denkalternativen angeboten. Also schwammen sie mit dem Strom. Und unser Leben ist so komplex, Frauen stehen unter so extrem hohem beruflichem und gesellschaftlichem Dauerdruck, dass sich manche lieber dafür entscheiden, diesen einen, scheinbar „bewährten“ Weg zu gehen, den schon ihre Mütter und Großmütter gegangen sind (und übersehen dabei bewusst oder unbewusst, welchen bitteren Preis die z. T. dafür zahlen mussten).

      Um den „von uns selbst gegen uns gerichteten Sexismus“, wie Du schreibst, stoppen zu können, müssen Frauen aber erst einmal en detail verstehen, wo dieser Sexismus beginnt und an welchen Punkten sie ihn gegen sich selbst richten (weshalb ich thea gestartet habe). Ich höre immer wieder, dass es doch wohl wichtigere Dinge gebe, als über Worte zu streiten oder über Motive auf T-Shirts oder über Werbung. Und viele sehen es wie Du, dass an so einer Formulierung doch nichts Schlimmes sei.

      Was viele aber nicht verstehen (wollen), ist, dass diese Dinge alle sehr eng zusammenhängen. Erst, wenn die Frauen, die Du beschreibst, diese Zusammenhänge erkennen und verstehen, erst, wenn sie verstehen, dass ein solcher Ausdruck sehr wohl eine Wirkung auf sie selbst und auf andere hat, werden sie vielleicht tatsächlich halbwegs frei entscheiden können, ob sie heiraten oder sich heiraten lassen oder es ganz sein lassen werden.

      Liebe Grüße
      Birte

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