Es scheint, als habe die Werbung einiger großer Firmen gerade eine Rolle rückwärts direkt in die 1950er Jahre gemacht. In der vorweihnachtlichen Fernsehwerbung jedenfalls waren Aufgaben und Zuordnungen ganz klar zwischen den Geschlechtern verteilt, und zwar so wie vor 60 Jahren.
Drei Beispiele, die in den letzten Wochen und Monaten auf vielen Kanälen zur besten Sendezeit rauf und runter gelaufen sind:
- Bonprix
Der Kleiderhändler Bonprix ließ eine (Haus-?) Frau eine Stulle fürs Mittagessen ihres Mannes einpacken. Doch wurde sie dabei plötzlich abgelenkt. Wodurch? Durch eine Frau in einem Kleid, die an ihrem Küchenfenster vorbei lief. Die kleine Brotzeit packte sie für ihren Mann, der dann aber bei der Arbeit nicht in ein Butterbrot biss, sondern in einen Spülschwamm. Weil die Hausfrau sich ja von einem Kleid hatte ablenken lassen. - Tchibo
Bei Tchibo, Kaffeeröster und Händler für Diverses, gab es in der diesjährigen Werbung Geschenke, mit denen die Kinder anschließend spielten. Wer spielte mit was? Die Tochter schwirrte mit Elfenflügeln herum, der Sohn ließ ein ferngesteuertes Auto durchs Zimmer fahren. - Media Markt
Der Elektronik-Fachmarkt Media Markt brachte in diesem Jahr mehrere Werbespots, in denen es immer darum ging, dass sich jemand mit kleinen Tricks und Schwindeleien von jemandem mit größerem Portemonnaie einen Elektroartikel kaufen ließ. Besonders interessant dabei war, was bei den jugendlichen Trickser_innen im Hintergrund ablief: Mutter kocht oder wäscht ab, Vater zahlt.
Wirklichkeit oder Wunschdenken?
Angesichts solch klarer Rollenverteilungen zwischen Frauen und Männern frage ich mich, ob es sich hierbei um eine Spiegelung der (vermeintlichen) Realität handeln soll oder ob es das Wunschdenken der Konzerne und der Werbefirmen ist, Frauen und Mädchen wieder in diese Rollen zu drängen. Dass Bonprix und Media Markt mit Hilfe des Storytellings zumindest rein technisch gesehen ganz zeitgemäße Fernsehwerbung zeigen, macht das Ganze nur noch schlimmer.
Bei allen drei Firmen zeichnen übrigens Männer für die Werbung verantwortlich.
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Tolles Blog und ein interessanter Artikel über eine grässliche Entwicklung. Vor langer Zeit habe ich mal eine Arbeit von Anabella Weismann gelesen, in der sie das Frauenbild in Karikaturen zwischen Reichsgründung und Wirtschaftskrise untersucht hat untersucht hat. Grob hab ich in Erinnerung, das immer dann, wenn es wirtschaftlich schlechter ging, die Frau wieder spülend in Erscheinung trat – oder aber die arbeitende Frau negativ dargestellt wurde. Erschreckend, dass es jetzt wieder und immer noch so funktioniert.
Danke, Nathalie! Aber das passt ja: momentan liegt die Wirtschaft zwar ganz gut da, aber die Menschen fühlen sich durch andere Dinge bedroht (wachsende Ungleichheit, Islamismus usw.). Da ziehen sie sich reflexartig wieder auf die alten Muster zurück, weil wenigstens die scheinbar Sicherheit versprechen (zumindest, wenn man das anhand dieser Werbung beurteilen will). Aber das Ganze geht natürlich immer wieder auf Kosten der Gleichberechtigung und der Frauen.
Hallo zusammen,
habe gerade den Beitrag bei frau-Tv zum Thema rückschrittige Werbung gesehen und musste dabei direkt an eine aktuelle Radiowerbung von McDonalds denken. Diese suggeriert dass die Frau die tagsüber Zeit hat, während das Kind (der Wurm) in der Schule ist und der Mann (frühe Vogel) auf der Arbeit ist, „ausfliegen“ kann um sich bei McCafé einen tollen Kaffee zu gönnen..diese Werbung macht mich so wütend, dass ich immer das Radio leise drehen muss, wenn sie läuft. Vielleicht kann man hier den Marketingverantwortlichen mal auf den Zahn fühlen;-) Lg
Hallo Stephanie,
danke für den Hinweis! Den Marketingverantwortlichen können allerdings alle auf den Zahn fühlen, die so eine Werbung wütend macht. ;-) Z. B. mit einer E-Mail an das Unternehmen. Es ist immer besser, wenn sich die, die sich direkt davon angesprochen oder beleidigt etc. fühlen, selbst dort melden. Je mehr dies tun, desto stärker die Wirkung. Wenn ich alleine da anfragen würde, brächte das gar nichts. Also, nur zu! :-)