Junge Frauen sind in den Medien fast unsichtbar, wenn es nicht gerade um Themen wie Mode, Liebe und „Zickenkrieg“ geht. Erfolgreiche (junge) Fachfrauen mit Expertise? Eine Seltenheit in den Medien. Sichtbare weibliche Vorbilder abseits der Klum- und Katzenberger-Klischees? Kaum vorhanden. Doch wie können wir das ändern? Einen Versuch startet nun eine Gruppe von Journalistinnen mit „Deine Korrespondentin„.

Initiatorin Pauline Tillmann, freie Russland-Korrespondentin u. a. für den Bayerischen Rundfunk, bewegt sich in einer Nachrichtenwelt, die vor allem von Männern gestaltet wird.
„Die Welt wird uns von Männern wie Peter Scholl-Latour erklärt, Gott hab ihn selig“, sagt Tillmann. „Er war eine Allzweckwaffe, die man immer einladen konnte.“ Unzweifelhaft war er auch einer der profiliertesten Journalisten, und, so Tillmann, „er war Augenzeuge bei geschichtsträchtigen Ereignissen. Aber die lagen 30 Jahre zurück.“
„Ich sollte mit Mitte 30 nochmal nachfragen“
Was ist mit aktuellen Ereignissen? Und was ist mit den jungen Korrespondentinnen, die aus aller Welt berichten? Ihre Namen sind in der Regel nicht bekannt; in den großen Medien kommen sie kaum vor, in Talkshows schon sowieso nicht (s. dazu auch meine Rubrik „Nachgezählt“).
„Man muss als Frau immer Mitte-Ende 30 sein, um [aus dem Ausland] berichten zu dürfen“, sagt Tillmann. „Es gibt durchaus junge Leute, die gepusht werden, aber das sind Männer wie Stephan Stuchlik oder Markus Preiß. Frauen traut man das nicht zu, und das ist total ungerechtfertigt. Ich merke das immer, wenn ich bei Diskussionspanels auftrete, eine Keynote halte oder in der Journalistenschule Seminare gebe. Da sind viele verwundert, dass ich in so jungen Jahren eine solche Expertise habe.“
Warum das so ist, kann sie nur anhand ihrer eigenen Erfahrung schätzen: „Als ich mit 27 ins Ausland wollte, hat man mir signalisiert, dass ich mit Mitte 30 nochmal nachfragen sollte. Die Arbeitsbedingungen von 24/7 kann man da aber nicht mehr erfüllen. In jüngerem Alter wären die Frauen flexibler, sie brennen und haben Lust auf den Job, aber die meisten Fernseh- und Hörfunkdirektoren und Chefredakteure trauen sich nicht, diese Kolleginnen nach draußen zu schicken.“
Die ewige Reduktion aufs Äußere und vermeintlich „weibliche“ Berufe und Hobbys
Mit Mitte 30 sollte sie also nochmal nachfragen. Doch das ist die Zeit, in der viele Frauen eine Familie gründen. Und das ist mit einem Korrespondentinnenjob, der, wie Tillmann sagt, die Frauen rund um die Uhr fordert, nur kaum vereinbar. Für viele Journalistinnen heißt das, sich zwischen Karriere und Kindern entscheiden zu müssen. Entscheiden sie sich für Kinder, sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit für längere Zeit weg vom (Auslands-) Fenster. Und der spätere Wiedereinstieg in den Job ist für die meisten Journalistinnen nicht leichter als in anderen Berufszweigen.
Doch das ist nicht das einzige Manko. Es wird auch seltener über Frauen berichtet – und mit Bericht meine ich keine dieser ewigen oberflächlichen, klischee-überladenen Boulevardstories, in denen Frauen (v. a. prominente Frauen) über ihr Äußeres definiert oder auf die angeblich „typisch weiblichen“ Berufe und Hobbys reduziert werden. Porträts, Hintergrundberichte über Frauen wie dich und mich gibt es dagegen kaum. Erst recht nicht aus Ländern wie Afghanistan, Indien oder Rumänien.
Das bedeutet für uns Frauen, dass uns die Welt vor allem aus Sicht von Männern mit Geschichten über Männer ins Wohnzimmer gebracht wird. Manche werden nun sagen, dass Männer selbstverständlich auch über Frauen berichten. Richtig, doch in der Mehrzahl handeln die Berichte der männlichen Journalisten hauptsächlich von Männern, u. a., wie ich hier schon schrieb, weil Männer häufig männlich dominierte Netzwerke haben – Frauen kommen schon da kaum vor.
Auch jüngere Journalistinnen mit Expertise sollen wahrgenommen werden
An dieser Situation will Pauline Tillmann etwas ändern. Sie will sich stärker mit Frauen vernetzen und dafür sorgen, dass auch jüngere Kolleginnen mit ihrer Expertise wahrgenommen werden, dass sie ihre Reportagen veröffentlichen können, und dennoch angemessen dafür bezahlt werden. Mit „Deine Korrespondentin“ haben die derzeit sieben Journalistinnen vor, eine Lücke zu füllen. Sie schreiben auf ihrer Website:
„Wir wollen Frauen in den Mittelpunkt rücken. Das heißt, wir wollen die Sichtbarkeit von Korrespondentinnen erhöhen. Wir wollen zeigen, welche bemerkenswerte Arbeit Journalistinnen heutzutage leisten, während sie um die ganze Welt reisen.
Gleichzeitig geht es auch darum, den Fokus bei der Berichterstattung auf Frauen zu richten. Das heißt, wenn wir eine Geschichte erzählen, suchen wir immer den weiblichen Part. Wir sprechen mit den Betroffenen, nicht über sie – und das nicht einmal, sondern wir bleiben an einer Geschichte dran. […]
In vielen Regionen der Welt – wie zum Beispiel in Afghanistan, im Nahen Osten und in Indien – haben nur Frauen zu anderen Frauen Zugang. Das heißt, bestimmte Themen können männliche Journalisten gar nicht umsetzen.“
Und was könnte „Deine Korrespondentin“ bewirken? Tillmann sagt dazu: „Ich habe mich vor längerer Zeit davon verabschiedet, mit meinen Beiträgen die Welt verändern oder verbessern zu können. Aber ich kann für Aufklärung sorgen. Wenn wir die Sichtbarkeit von Frauen durch dieses Netzwerk erhöhen können, dann können wir im ganz Kleinen auch etwas verändern: indem wir darüber sprechen, indem Leute darüber lesen, indem wir Unterstützer finden.“
„Deine Korrespondentin“ setzt auf Crowdfunding und Bezahlinhalte
Anders als bspw. die „Krautreporter“ ziehen die sieben Kolleginnen das Projekt jedoch nicht mit dem Blick auf die großen Massen auf. „Uns reicht es völlig aus, ein Nischenpublikum zu bedienen“, sagt Tillmann. „500 Leute wären schon genug. Die Zahl ist lächerlich und im Vergleich zu den Einschaltquoten völlig vernachlässigbar. Aber wir müssen sehen, wie es sich entwickelt und wie das Publikum reagiert. Wir haben den Grundstein gelegt, aber das Projekt wird sich sicher noch transformieren.“
Während viele großen Medien ihre Inhalte kostenlos anbieten, setzt das Team von „Deine Korrespondentin“ auf Bezahlinhalte. Zunächst sollen 5.000 Euro per Crowdfunding für eine Website und die ersten Beiträge zusammenkommen. Funktioniert das, wird es weitere Beiträge „von Frauen über Frauen für alle“ geben, aber hinter einer Bezahlschranke.
Denn Tillmann weiß: „Die Zeit ist jetzt reif. Die Bereitschaft ist gegeben, für Inhalte im Netz zu bezahlen. Ein Drittel der Online-User zahlen jetzt schon. Ich bin durchaus der Meinung, dass sich die Gewohnheiten ändern, dass die Leute Verständnis dafür entwickeln, dass es nicht für umme geht, wenn man exklusive Inhalte im Netz präsentiert bekommt. Ein Euro pro Beitrag wäre völlig gerechtfertigt.“
Die Journalistinnen, die fast alle als freie Journalistinnen arbeiten, werden davon, zunächst jedenfalls, nicht leben können – das ist jedoch auch gar nicht der Plan. Im Vordergrund stehen für sie die Frauen, deren Geschichten erzählt werden – und damit die Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen, vor und hinter der Kamera, dem Mikrofon und dem Notizblock.

Die Macherinnen von „Deine Korrespondentin“ sind: Pauline Tillmann (freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg), Simone Schlindwein (Journalistin in Afrika), Sabine Rossi (Redakteurin bei WDR Funkhaus Europa), Veronika Eschbacher (Redakteurin der Wiener Zeitung in Afghanistan), Sabine Muscat (freie Korrespondentin in Washington D.C.), Luzia Tschirky (Journalistin für Russland und Ukraine), Jessica Schober (war kürzlich auf Wortwalz).
Wenn du „Deine Korrespondentin“ von Anfang an unterstützen möchtest, dann hast du hier auf Startnext die Möglichkeit dazu.
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Und noch vor Ablauf der Crowdfunding-Kampagne haben sie ihr Ziel von 5.000 Euro erreicht! Mit „Deine Korrespondentin“ werden Frauen vor und hinter der Kamera nun ganz gezielt sichtbar gemacht – ich bin sehr gespannt und wünsche den sieben Frauen einen tollen Start!